SKUNK ANANSIE
Album: „Anarchytecture“ – VÖ 15.01.2016
Single: „Love Someone Else“ – VÖ15.01.2016
Single: „Death To The Lovers“ – VÖ 27.01.2016
Label: earMUSIC
Vertrieb: edel
In den über 20 Jahren ihrer Karriere haben Skunk Anansie die Welt unzählige Male umrundet und mehrere Millionen, mit Multiplatin ausgezeichnete Alben verkauft. Dennoch gelten die Britrocker immer noch als Außenseiter, davon ist Skin, die aus Brixton stammende Frontfrau der Band, überzeugt. Ganz unrecht ist ihr das jedoch nicht: „Was Dich zunächst andersartig erscheinen lässt, lieben die Leute später umso mehr an Dir.“
Das 1994 in London gegründete Quartett, bestehend aus Sängerin Skin, Schlagzeuger Mark Richardson, Bassist Cass und Gitarrist Ace, entwickelte sich schnell zu einer der aufregendsten und außergewöhnlichsten Rockbands der Neunziger Jahre. Sie elektrisierten mit ihrem knüppelharten Sound und der unnachahmlichen Falsettstimme des androgynen, schwarzen Glatzkopfes.
Zu hart für die „Mockney“-Brit Pop Szene und doch zu fest in ihrer musikalischen Heimat verwurzelt, um den aus Amerika importierten Grunge eins zu eins zu übernehmen, schlugen Skunk Anansie ihre ganz eigene musikalische Richtung ein. „Wir kamen ursprünglich aus dem Brit Rock, wurden aber nie wirklich als Teil dieser Szene akzeptiert“, erinnert sich Skin nonchalant. „Uns inspirierten amerikanische Bands wie Rage Against The Machine, Nirvana und Pearl Jam. Blur haben wir ganz sicher nicht gehört.“
Frei von jeglichem Szenedenken drängte die Band immer weiter nach ganz oben und formte dabei nicht nur ihren eigenen, wilden Sound, sondern auch das Image des agilen, düsteren, politisch geladenen „Klit-Rock“. Seinerzeit von Skin geprägt gilt dieser heute als Wegwerfbegriff, den sich musikalische Aktivisten für ihren queeren oder feministischen Kampf gegen das Hegemonial des testosterongeprägten Rock zu Eigen machten. Skunk Anansie thematisierten Faschismus („Baby Swastika“), Dogmen („Selling Jesus“), Liebe als Mittel der Kriegsführung („Weak“, „Hedonism“) und den Personal-Is-Political-Begriff („Yes, It’s Fucking Political“). Der Mainstream tat sich zunächst schwer damit, die Aufrührer einzuordnen: so waren die Alben der Briten zunächst unter R’n’B zu finden, weil die Plattenläden sich eine schwarze Frau nicht als Sängerin einer Rockband vorstellen konnten.
Durch ihre explosiven Singles und elektrisierenden Liveshows bauten sie sich eine treue, weltweite Fanbasis auf. In weniger als einer Dekade prägten sie maßgeblich die Musiklandschaft der 90er Jahre, verkauften mehr als fünf Millionen Platten spielten sieben ausverkaufte Welttourneen und veröffentlichten eine Salve an Alben: Paranoid & Sunburnt, (1995), Stoosh (1996) und ihr Major-Debüt bei Virgin, Post Orgasmic Chill (1999; in diesem Jahr traten sie auch als Headliner des Glastonbury Festivals auf). Skin entwickelte sich in dieser Zeit nicht nur zur Ikone und Mode-Muse, sondern galt auch für Männer und Frauen gleichermaßen als Pin Up. Sie nahm ein Duett mit Luciano Pavarotti anlässlich einer Audienz mit dem Dalai Lama auf und spielte mit Skunk Anansie zu Ehren des 80. Geburtstags von Nelson Mandela.
2001 schließlich wollte die Band lediglich eine kurze Atempause einlegen, die jedoch in einem neujährigen Sabbatical mündete. In dieser Zeit bündelten alle vier ihre kreativen Energien in verschiedene Soloprojekte – im Fall von Skin: zwei Soloalben, Ausflüge auf den Laufsteg und regelmäßige DJ-Gigs. 2009 veröffentlichte das Quartett mit „Wonderlustre“ (2010, via V2/earMUSIC) das erste Album seit ihrer langen Auszeit. „Es handelt von uns als Band, wie wir wieder zusammengefunden haben und wieder gemeinsam ins Musikbusiness eintauchten. ‚Black Traffic‘ (2012, via 100%/earMUSIC) war das Ergebnis der vorangegangenen Tour, der sozialen und weltpolitischen Einflüsse, die wir auf dieser Reise aufgenommen haben. ‚Anarchytecture‘ ist eine Mischung aus Beidem.“
Der Titel des Albums beleuchtet, wie so viele von Skins Texten, die „grauen Zonen“ menschlichen Bestrebens. Während Black Traffic sich mit heruntergekommener Technologie, dem dunklen Netz und versteckten Währungen beschäftigt, handelt Anarchytecture mehr von immateriellen Strukturen. Von solchen, die wir uns selbst erschaffen haben und solchen, die unsichtbare Hände ohne unser Zutun um uns gebaut haben. Für jedes Bandmitglied hat der Albumtitel eine andere Bedeutung, doch für Skin beschreibt Anarchytecture die angespannte Schnittstelle zwischen Struktur und Chaos, Grenzen und Freiheit.
„Es ist mitnichten ein Abschiedsalbum, denn ich habe mir geschworen, so etwas nie wieder zu schreiben“, führt Skin weiter aus. Eher haben sie die emotionalen Trümmer, die nach einer Reihe von „Explosionen“ in ihrem Leben übrigblieben, zu diesen Texten geführt. Die meisten davon waren lediglich blanke Konstrukte, die sie unter Druck im Studio in letzter Minute komplettierte. In den tiefsten Nächten entstanden so treibende Rhythmen und Songs voller Begierde, Verletzungen, Verlangen, Manipulation, Kraft, Verlust und komplexer Figuren, die vom wirklichen Leben gezeichnet und von dunklen, intensiven und sprunghaften Gelüsten getrieben sind.
In „Death To The Lovers“ fängt Skin die Euphorie ein, die Selbstmörder angeblich kurz vor ihrem Ableben erfahren („Darkness comes, I feel magnificent“), während die gewaltigen Gitarren und das militaristisch wirkende Schlagzeug in „We Are The Flames“ eine Verweigerung offenbaren, die direkt auf die Propagandamaschinen und die staatlich kontrollierte Architektur des modernen Lebens abzielt: Meinungsmache, soziale Medien, Überwachung.
Skunk Anansie sind für einige der prägendsten Hymnen der 90er Jahre verantwortlich, dennoch richten sie ihren Blick auf das Jetzt. „Wir wollten wieder etwas Neues machen und uns auf die Dinge der Gegenwart beziehen“, erklärt Ace.
Das eigentliche Fundament ihres früheren Sounds hat sich verschoben und lässt nun einem straffen, melodiegetriebenen Rock freien Lauf. Produzent Tom Dalgety (Royal Blood, Band Of Skulls) pointiert diesen mit Schnelligkeit und Genauigkeit und schubst die Band mit elektronischen Einflüssen in eine Richtung, die sie bereits auf Black Traffic erstmals einschlugen.
„Wir sind definitiv noch immer eine Rockband“, lacht Skin. „Wir machen neuerdings keinen Dubsteb oder sowas, doch es ist sicherlich das groovigste Album, das wir je aufgenommen haben.“ Diese Grooves sind laut und klar auf dem pumpenden Discorhythmus von „In The Black Room“ zu hören, genauso wie auf „Victim“ mit seinem tiefen, pochenden Bass und seinen komplexen Gitarren. Was sich jedoch nicht verändert hat ist Skins unnachahmliche Falsettstimme, die schon Chartstürmer wie „Charity“ und „Weak“ so unvergesslich gemacht haben.
Anarchytecture ist impulsiv und scheint mehr von der Dunkelheit als vom Licht getrieben zu sein. „Es gibt trotzdem eine gesunde Energie auf diesem Album, die Sorte, die nur Bands erschaffen können, die schon lange existieren“, so Cass. „Heute ist es unüblich, über 20 Jahre in einer Band zu sein und dabei nicht nur zusammen zu spielen, sondern sich auch wie eine Familie zu fühlen. Hier gibt es jede Menge Liebe.“
Szenen entstehen und verschwinden wieder, doch Outsider wie Skunk Anansie genießen eine spezielle Form der Langlebigkeit, betont Mark. „Wir haben nicht nur zuhause, sondern überall auf der Welt diese unglaubliche Fanbase, die uns antreibt und uns motiviert, weiter Platten aufzunehmen und zu touren.“
Mit diesem Streben nach frischer, innovativer Musik und stetiger Entwicklung dreht sich bei Skunk Anansie alles um das Hier und Jetzt.