Booka Shade

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Album: Eve
VÖ: 01.11.2013
Label: Embassy One/ Blaufield
Vertrieb: Warner

Wir wissen nicht genau, was Fred Astaire heute auf einer Tanzfläche so alles anstellen könnte. Wie er reagieren würde, konfrontiert mit einer Klanggewalt, die er so massiv nie erlebt hatte, getrieben vom Four-to-the-floor-Puls der Kickdrum, erleuchtet von einem LED-Feuerwerk. Aber wir können uns sehr gut vorstellen, wie er jeden einzelnen wuchtigen Beat-Schlag mit seinen Bewegungen umschmeicheln würde. Charmant, verspielt, zärtlich geradezu.

Das Schwerste ist, es leicht aussehen zu lassen, soll Astaire über seine Tanzkunst gesagt haben. Der Satz könnte ein wunderbares Motto für “Eve” abgeben, das fünfte Studioalbum des Berliner Duos Booka Shade. Walter Merziger und Arno Kammermeier beweisen damit aufs Neue, wie man den massiven Sound aktueller elektronischer Produktionsmittel in pure Leichtigkeit verwandeln kann. So sind Booka Shade Fred Astaire gar nicht unähnlich. Sie tanzen nicht, sie tänzeln.

Nehmen wir ein Stück wie “Maifeld”. Es verweist auf Monumentalarchitektur und gigantomanische Pläne – der Titel bezeichnet die große Rasenfläche vor dem Berliner Olympiastadion, Mitte der 1930er Jahre als Paradefeld der Nationalsozialisten angelegt, Jahrzehnte später von Pink Floyd oder Genesis bespielt – und es ist dennoch von spielerischer Melancholie geprägt. Am Ende wird diese Stimmung in einer Kulisse aus Kirmesklängen aufgelöst und geht in “Perfect Time” über, eines der zentralen Stücke des Albums. Booka Shade protzen nicht mit ihren Ohrwurmmelodien, nicht mit der Raffinesse ihrer Arrangements, nicht mit dem Wissen und dem schieren Sound-Druck, der nach ihrer langjährigen Erfahrung als Produzenten in diesen Tracks steckt. All das schmeichelt sich ganz einfach und elegant ins Ohr.

Bei Merziger und Kammermeier dreht sich alles um zwei Elemente: Melodie und Emotion. Mit dem ersten Booka-Shade-Album “Memento” waren sie im Jahr 2004 noch angetreten, um kleine Clubs in Bewegung zu versetzen. Wenig später markierten der Track “Body Language” und das folgende Album “Movements” eine breitenwirksame Renaissance der elektronischen Musik. Sie funktionierten in Diskotheken auf Ibiza genauso wie in englischen Konzerthallen und nicht zuletzt als Sample-Vorlage für einen Hit von Will.I.Am. In diesem Spannungsfeld sind Booka Shade seither unterwegs, weltweit, mit zunehmend wachsendem Erfolg. Mit ihrem letzten Album hatten sie 2010 unzweideutig “More!” gefordert – und bekommen. Heute spielen sie Headline-Slots auf Festivals wie Coachella in den USA oder Sziget in Ungarn. Nach dem Abschied von der von ihnen mitbegründeten Plattform Get Physical Music betreiben sie nun ihr eigenes Label Blaufield Music, die ideale Spielwiese für ihre vielfältige Auffassung von Clubmusik.

Booka Shade ist nichts anderes als das höchst persönliche Ergebnis eines andauernden Prozesses. Merziger und Kammermeier saugen schon ihr ganzes Leben lang alle erdenklichen Einflüsse auf, filtern sie und übersetzen sie in ihre eigene Klangwelt – ein vitaler Vorgang, so selbstverständlich wie ein- und ausatmen. Das fünfte Album wurde trotzdem zu einer Aufgabe, an der die beiden beinahe verzweifelten: ganz nach sich selbst klingen und sich dennoch nicht wiederholen, Neues wagen, ohne sich untreu zu werden.

Der Knoten löst sich erst im Laufe einiger Sommertage in Manchester. Booka Shade quartieren sich in den EVE Studios ein, einem “residential vintage recording studio”, in dem man wohnen und rund um die Uhr mit rarem Equipment aufnehmen kann. Die Sessions werden von einem ursprünglichen Band-Feeling geprägt – und von Fragen wie: Benutzen wir die mechanischen Hallplatten oder lieber doch das Badewannenecho? In diesem inspirierenden Umfeld skizzieren Booka Shade den Großteil der neuen Songs. In Berlin folgt im Anschluss die harte Arbeit, um alles perfekt zu machen und so leichtfüßig und schwerelos wirken zu lassen.

Der Moment in Manchester, in dem plötzlich alles Sinn machte, ist nun im Albumtitel verewigt. “Eve” folgt immer noch dem Grundsatz, der von den ersten musikalischen Gehversuchen des Duos bis heute regiert: Booka Shade spielen vierhändig. Zwei Hände am Schlagzeug und zwei Hände an den Keyboards müssen im Prinzip für jedes Stück ausreichen, im Studio genauso wie auf der Bühne. Ausnahmen macht man nur für besondere Gäste, neben Fritz Helder (Azari & III) diesmal für Andy Cato von Groove Armada, der seine Posaunenklänge im weiten Hallraum verwehen lässt, während Fritz Kalkbrenner hymnische Zeilen auf den nächsten Aufbruch singt: “We’ve burned the bridges on our way…”

Dabei bauen Booka Shade längst schon wieder neue Brücken. Von ihrer reichen Vergangenheit als Produzenten in die glorreiche Gegenwart, vom Berliner “Maifeld” bis nach “Jesolo” am Mittelmeer und weiter in den fernen Osten. Booka Shade sind einmal mehr unterwegs, “Eve” ist wie eine große Reise. Eine Platte, die zu rufen scheint: Zieh los, fang an zu träumen! Und zu tänzeln.


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